mein 03.06.2008


Hier erzählen Beteiligte ihre ganz persönliche Geschichte vom 03.06.2008.
Wie hast du diesen Abend erlebt? Schreib uns! thoralf@xx3x.de



Uta



Auch heute, über ein halbes Jahr später, kommen mir noch die Tränen beim Schreiben, wenn ich an diesen Tag zurückdenke.
Der Innenausbau ist fast abgeschlossen. Thori, Moni und die Kinder wohnen seit ca. 4 Wochen wieder in ihren eigenen 4 Wänden. Auch Adelheid hat ihre Übergangswohnung in unserem Haus wieder verlassen, und wohnt jetzt wieder nebenan. Trotzdem werden noch unendlich viele Arbeitsstunden notwendig sein, um die Spuren des Brandes restlos zu beseitigen.

Es war ein warmer Sommertag, der Himmel blau, die Sonne schien warm. Ich hatte mal wieder Spätdienst, leider. Markus und Maurice wollten am Nachmittag das neue Sonnensegel auf der Terrasse aufbauen. Der Wetterbericht hatte Gewitter und Regen mit Hagel angesagt. Naja der Boden hatte Regen dringend nötig.
Gegen Mittag sprang ich in kurze Hose und Top, dann gingÂ’s ab zur Arbeit. Ob ich direkt zur Arbeit gefahren bin, oder vorher noch Besorgungen gemacht hab, weiß ich nicht mehr.
Der Tag schien zu werden wie jeder andere auch. Ich hatte mit Beate und Jens Spätdienst. Es war ruhig. Wir machten gegen 16 Uhr Pause und saßen auf dem Balkon. Von da aus sehen wir die Leuchtenburg, vorausgesetzt das Wetter ist gut. Da saßen wir also, und unterhielten uns übers Wetter. In Jena war das Wetter gut, die Sonne schien, aber es war wahnsinnig schwül. Uns lief der Schweiß, auch ohne das wir über den Flur rammelten – was nicht zuletzt an den mehr als unpraktischen Arbeitsklamotten lag. Rund um Jena, in Richtung Kahla braute sich das Gewitter zusammen, wir konnten es schon sehen. Die Wolken dort waren rabenschwarz, was nichts Gutes verhieß. Ich scherzte noch mit den Kollegen, dass ich mein Auto „rein“ hole, falls es hagelt. Ich hatte nämlich eine Heidenangst davor, dass mein geliebtes Auto Schaden nimmt. Von dem Schaden zuhause ahnte ich natürlich nichts, wer denkt auch an so was. Das passiert doch immer nur den anderen. Mein Dienst verlief also ruhig und ohne besondere Vorkommnisse, ich freute mich auf den Feierabend unter dem neuen Sonnensegel.
Wir waren dabei die Bewohner ins Bett zu bringen, das Dienstzimmer war schon aufgeräumt und die Schreibarbeit erledigt. Warum ich an diesem Tag den ganzen Schreibkram schon abgearbeitet hatte, weiß ich nicht. Was gemacht ist, ist gemacht dachte ich mir, da haste pünktlich Feierabend. Manchmal hat man eben so eine innere Eingebung, die sich nicht selten als nützlich erweißt.
Es muss so gegen 19 Uhr gewesen sein, ich hatte gerade eine Bewohnerin im Rollstuhl in ihr Zimmer gefahren, um sie zu Bett zu bringen, da klingelte mein Handy. Das hab ich immer in der Kitteltasche -es kann ja mal was sein -denk ich mir immer. Aber das an diesem Tag wirklich was ist, ahnte ich nicht. Die angezeigte Nummer kannte ich nicht. Ich ging ran, und Manuela -meine ehemalige Mitschülerin- meldete sich. Sie fragte ob ich zu Hause sei, ich sagte, dass ich auf Arbeit bin, und eigentlich im Moment keine Zeit zu schnattern hab. Sie klang ganz aufgeregt, und sagte mir sie sei gerade bei mir zuhause vorbei gefahren und bei uns würde es brennen, der Blitz habe wahrscheinlich eingeschlagen. Ich stand wie vom Donner gerührte, und schrie ins Telefon: „Was ist los, wo brennt es, das kann gar nicht sein.“ Schließlich schien draußen die Sonne! Sie sagte mir aber, dass in Hartmannsdorf und Umgebung ein tierisches Unwetter haust. Unfassbar für mich, das das Wetter zu Hause so viel schlechter war.
Ich versuchte sofort zu Hause anzurufen. Nach einigen klingeln ging Markus endlich ran. Er brüllte nur ins Telefon sie seien beide raus aus dem Haus, im Moment brennt es „nur“ bei Thoralf, aber bei uns dann sicherlich auch noch. Überall ist nur Qualm. Mich traf eine Brechstange mitten in der Magengrube. Ich rutschte an der Wand nach unten, und heulte wie ein Schlosshund. Was sollte ich tun? 40 km von zu Hause entfernt. Bimen wäre nicht schlecht. Ich war unfähig einen klaren Gedanken zu fassen. Meine Kollegin kam und fragte was los ist, sie hatte mich bis auf den Flur gehört. Ich stammelte irgendwas von es brennt bei mir, aber es sind alle raus aus dem Haus. Gott sei Dank war sie völlig klar im Kopf, und sagte: „Du gehst sofort nach Hause, aber vorher beruhigst du dich, so lass ich dich nicht fahren.“ Ich versuchte einigermaßen normal zu atmen und mich etwas zu beruhigen.
Minuten Später saß ich im Auto und raste auf der Autobahn Richtung Heimat. Ich stand völlig neben mir, war wahrscheinlich total fahruntauglich. Am Hermsdorfer Kreuz ging das Unwetter los. Ich konnte kaum etwas sehen, so sehr ergoss sich der Regen. Ich versuchte noch mal Markus zu erreichen, vorher hatte ich ihm gesagt, dass ich heim komme. Es klingelte und es nahm auch jemand ab, aber ich hörte nichts als Chaos, Rauschen, Stimmengewirr. Ich brüllte völlig hysterisch ins Telfon- keine Antwort. Ich legte auf, konnte dieses Hören aber nicht sehen was geschieht nicht ertragen. Ich war innerhalb von ca. 20 Minuten in Eisenberg, ein LKW „schlich“ vor mir her. Am kleinen Kreisverkehr dachte ich, es ist besser über Etzdorf zu fahren, weil da kein LKW rum kriecht. Am Schortental war meine Fahrt zu Ende. Dort standen schon ca. 10 Autos und nichts ging mehr. Das Wasser stand knietief auf der Straße. Ich wendete sofort und versuchte es über die B7. Am alten Bahnübergang zwischen Eisenberg und Kursdorf kam mir die Polizei entgegen, sie winkten und reifen wohl irgendwas, aber ich registrierte das nur am Rande. Ich war kurz vorm Ziel und wollte endlich ankommen. An der Einfahrt zum Mühltal in Kursdorf stand der LKW von vorhin. Die Straße war überflutet und nichts ging mehr. Ich hatte für einen Moment den Gedanken „Augen zu und durch“, aber eine innere Stimme hielt mich davon ab, zum glück. Ich wendete, fuhr zurück nach Eisenberg. Am Tiergarten stand die Polizei und ließ niemanden mehr nach Kursdorf durch. Ich hielt an und fragte wie ich am schnellsten nach Hartmannsdorf käme. Sie ahnten wohl, dass ich es eilig hatte, und fragten noch ob ich in dem Haus wohne wo es brennt. Ich sagte nur „jaja“. Sie hatten die Info das über Bad Klosterlausnitz, Tautenhain die Straßen frei wären. Das konnte ich nicht recht glauben. Ich fuhr aber los. Am Krankenhausparkplatz hielt ich noch mal an, weil ich meine Eltern versucht hatte zu erreichen, aber ohne Erfolg. Ich dachte nur wenn Du jetzt dort lang fährst und dann geht nichts mehrÂ… Schließlich ist der Bach von Tautenhain nach Seifartsdorf recht klein und nimmt kaum Wasser auf. Folglich müsste dort die Straße völlig überflutet sein. Ich versuchte meine Schwester zu erreichen. Endlich ging jemand ran. Sie sagte mir, dass wohl schon jemand nach Tautenhain gefahren sei, und noch nicht zurückgekommen ist. Also scheint die Straße frei zu sein. Ich gab Gas und raste durch den Wald weiter. Das Wetter wurde erstaunlicherweise wirklich besser. Es regnete nur noch leicht. Unwetterspuren sah ich keine. Ich kam dann auch gut in Seifartsdorf an, dort herrschte Chaos. Alles war auf den Beinen und versuchte Schadensbegrenzung zu betreiben. Es sah schlimm aus. Die Schlammmassen auf der Straße waren so enorm, wie nach dem Hochwasser in der 80er Jahren. Daran kann ich mich noch dunkel erinnern, nur das es damals Tagelang geregnet hatte und heute nur Minuten. Ich hielt bei meinen Elter und holte mir wenigstens eine Jacke. Ich war inzwischen auch reichlich nass, nach dem Aussteigen in Eisenberg. Meine Mutter beruhigte mich, es brenne nicht bei uns. Kein wirklicher Trost! Ich fuhr weiter nach Hartmannsdorf, am Kreisverkehr sperrte die Polizei ab, ich fuhr einfach durch ohne rechts oder links zu gucken. Mir war inzwischen alles egal. Ich wollte nur noch heim. Nach war nas 1 Stunde war ich endlich am Ziel. Ich fuhr durchs Neubau und parkte mein Auto an der Schulbushaltestellte hinter Scherfs. Da standen schon einige Autos. Ich watete durch Matsch und Schlamm. Scherfs waren dabei ihre Garage gegen das voll laufen zu schützen. Sie sahen mich nur entsetzt an, keiner war in der Lage etwas zu sagen. Während die eine Seite der B7 absoff, stand die andere Seite in Flammen – fast schon makaber!
Ich bog um die Ecke und sah ESÂ….!!!! Wo heute Mittag bei blauem Himmel und strahlendem Sonnenschein noch Thoris Dach war, war jetzt nichts mehr, außer Qualm und, noch immer, kleine zündelnde Stellen. Die Fassade war klitschnass. Der Anblick traf mich wieder wie ein Hieb in die Magengrube! Ich krümmte mich vor innerem Schmerz! Wieder schossen mir die Tränen in die Augen. Unser Nachbar, Herr Jacob, kam zu mir und fragte ob ich einen Arzt brauche. Ich verneinte und fragte nach meiner Familie. Seine Frau brachte mich zu ihnen.
Es war ein Anblick des Grauens. Die Straße war voller Menschenmassen. Alle waren sichtlich geschockt, was eigentlich noch viel zu milde ausgedrückt ist.
Mein Sohn saß im Auto, im Schlafanzug, und weinte immer noch. Mein Vater war da gewesen und wollte ihn mit nach Seifartsdorf nehmen, aber er wollte nicht weg, was ich verstehen kann. Mein Mann und die Nachbarn waren alle da. Jeder umarmte jeden und keiner war in der Lage die Tragödie in Worte zu fassen.
Da stand ich nun in Sommerschühchen, Top und kuren Hosen. Die Jacke meiner Mutter wärmte mich nicht wirklich. Ich war nass bis auf die Haut, aber das war mein geringstes Problem. Ich ließ mich kurz auf den aktuellen Stand der Dinge bringen. Dann stand ich bei den anderen und konnte nichts weiter tun als warten. Ich ging um unser Haus rum, in den Hof, in den Garten – dort stand das neue SonnensegelÂ….
Im Hof lagen unzählige Löschschläuche, 2 Feuerwehrmänner stand auf unserem Gerüst (wir waren gerade dabei unser Haus abzuputzen), einer von der Energieversorgung stand auf dem vorderen Teil unseres Gerüstes und klemmte den Strom ab, der durch unseren Dachkasten zu Thoris Haus führte. Er erzählte mir was er machte, aber mir war das im Moment egal. Die Feuerwehr kontrollierte regelmäßig auf unserem Dachboden die Temperatur der Brandschutzmauer. Ich ging mit ins Haus. Es war gespenstisch! Diese Ereignisse der letzten Stunden, die Unfassbarkeit dessen was geschehen war schienen mir von den Wänden entgegen zu schreien. Ich war nicht da! Das war das Gefühl in mir. Ich konnte nicht nachfühlen was passiert war, ich konnte die Angst zwar nachempfinden, aber nicht fühlen. Das, wovor ich immer Angst hatte –im entscheidenden Augenblick nicht da zu sein, für meine Familie – das war geschehen. Ich fühlte mich mieß Â–traurig und verloren. Dieses Warum ging mir nicht aus dem Kopf.
Ich ging durch jeden einzelnen Raum, gucke mich um – alles war heil geblieben –aber die Wände schienen mich anzuklagen.
Ich zog mir trockene und warme Sachen an, nahm meine Zeugnisse und noch einige Sachen für meinen Sohn mit, und verließ das Haus wieder. Ich hüllte meinen Sohn im Auto in warme Decken und Sachen.
Ich sah Adelheid von weitem, wie jemand sie stützte und ins Auto setzte, damit sie diesen Anblick nicht länger ertragen musste. Moni und die Kinder waren bei Martin und Denis. Thori lief noch apathisch umher, wir waren kurz mit Thomas, Martin und einigen anderen auf Thoris Grundstück. Keiner wusste so recht, was am nächsten Tag als erstes zu tun ist. Wahrscheinlich erstmal zur Versicherung, wäre wohl am sinnvollsten.
Wir standen bis ca. 22.30 Uhr auf der Straße. Es war inzwischen dunkel und die meisten Leute waren zurück in ihre Häuser gegangen. PuschendorfŽs waren alle 5 bei Freunden und Bekannten untergebracht. Ich fragte mich wo wir die Nacht verbringen würden. Die Feuerwehr hatte empfohlen nicht im Haus zu schlafen, wegen der Gefahr von Kohlmonoxid. Maurice hatte ich von meinem Vater anholen lassen, er sollte nicht im Haus bleiben. Ich hatte ihn zum Kreisverkehr gebracht, dort wartete Opa mit dem Auto auf ihm. Ich gab ihm seinen Rucksack mit, und fühlte mich dabei erbärmlich. Er sollte sich richtig ausschlafen am nächsten Tag, in die Schule ging er natürlich nicht. Während Fam. Fritsche von gegenüber den Keller auspumpen ließ, gingen Markus und ich „ins Bett“. Wir legten uns auf die Couch und machten in der Küche das Fenster auf, ich war nicht sicher, ob wir am nächsten Morgen wieder aufwachen würden. An Schlaf war nicht zu denken, zu tief saß der Schock. Die Geräuschkulisse der laufenden Pumpen auf der Straße und die Schritte der Feuerwehrleute in Thoris Haus war zu hoch. Markus ging nach einer Weile ins Zimmer von Maurice zum Schlafen. Ich selber blieb auf der Couch und machte kein Auge zu. Ich lief zwischen der Stube, dem Kinderzimmer, um zu gucken, ob Markus noch atmet, und dem Dachboden, um die Brandmauer anzufassen, hin und her. Ich dachte an alles und nichts, und fühlte mich ausgelaugt wie ein Scheuerlappen.
Ein Tag, der so schön begonnen hatte, ging so grauenvoll zu Ende. Das „Erwachen“ am nächsten Morgen war nicht viel besser!

Uta Linnemann
Hartmannsdorf, 18.12.2008




Thomas



Es ist heute genau ein halbes Jahr her und ich merke, wie die Bilder langsam verschwinden. Doch das Auf und Ab dieses 3. Juni 2008 und die Gefühle die ich dabei erlebt habe sind nach wie vor präsent, als wäre es gestern gewesen.

Aber mal schön langsam und von vorn. Ich hab gearbeitet an diesem 3. Juni. Am Nachmittag war ich bei einem Kunden in Altenburg. Gegen 16:00 Uhr bin ich aus Altenburg weggefahren. Zu diesem Zeitpunkt machte sich gerade eine mächtige Gewitterfront in Richtung Altenburg auf. Ich habe jedoch nur dessen Ausläufer mitbekommen. Bevor ich nach Hause fuhr, machte ich einen kleinen Umweg über Hartmannsdorf, um bei meinen Eltern vorbei zu schauen. Gegen 17:30 Uhr habe ich Hartmannsdorf in Richtung Jena wieder verlassen. Im Rückspiegel bemerkte ich ein aufkommendes Gewitter, welches sich aus Südosten nährte. Zu diesem Zeitpunkt konnte ich natürlich noch nicht wissen, dass ich keine drei Stunden später wieder in Hartmannsdorf seien würde. Kurz nach 18:00 Uhr war ich wieder zu Hause und begann sogleich damit etwas Essbares in mich hinein zu schaufeln.

Am nächsten Wochenende sollte bei Martin eine kleine Party zur Hauseinweihung stattfinden. Thoralf und ich hatten zuvor schon einmal kurz darüber gesprochen, dass wir etwas zusammen schenken wollen. Gegen 18:20 Uhr habe ich versucht Thoralf anzurufen, um mit ihm über das Geschenk zu sprechen. Zunächst nahm niemand ab. Dann ging aber doch jemand ans Telefon, jedoch ohne mit mir zu sprechen. Ich hörte viele Stimmen und auch Thoralf seine hatte ich vernommen. Alle waren sehr aufgeregt, aber niemand wollte mit mir sprechen. Für mich klang es so, als ob Thoralf aus Versehen das Telefon aktiviert hatte und es sich immer noch in seiner Hosentasche befand. Ganz ehrlich hat mich das noch nicht wirklich verwundert, nicht dass es ständig bei ihm vorkommt, aber dass das noch nie passiert wäre, stimmt auch nicht.
2-3 Minuten später versuchte ich erneut Thoralf zu erreichen. Wieder aktivierte er das Telefon, jedoch ohne mit mir zu sprechen. Wieder waren viele fremde Stimmen und auch Thoralf Stimme zu hören. Doch was ich diesmal hörte, gefiel mir ganz und gar nicht. Viel habe ich nicht verstanden aber was ich verstanden habe waren Wörter wie "Gibt mir den zweiten Feuerlöscher." und "Das wird nichts, jetzt alle raus hier schnell". Dann war nur noch rauschen und ein Getrappel, wie wenn viele davonliefen, zu hören. Jetzt dachte ich schon, dass es dort auf alle Fälle brennt wo Thoralf in der Nähe war. Ich dachte jedoch er hat Spätschicht und wäre auf Arbeit und irgendeine seiner Fräsmaschinen hätte Feuer gefangen. Das ist nämlich auch Schonmal vorgekommen.
In diesem Augenblick klingelte mein Festnetztelefon. Aus diesem Grund unterbrach ich das Zuhören am Handy und nahm das Gespräch an. Es war meine kleine Schwester, sie war ziemlich aufgeregt. "Thomas, bei Thoralf hat der Blitz ins Haus eingeschlagen. Es kommen meterhohe Flammen aus dem Dachgeschoss."

Es gibt Momente, in denen es einen, wie ein Schlag trifft. Wie ein Stromschlag, den man am Kopf erhält und welcher sich dann langsam über den Rücken bis in die Füße ausbreitet. Ich denke jeder kennt solche Momente. In Bruchteilen von Sekunden erhielten die Stimmen und die Wörter, die ich am Handy gehört hatte, eine völlig andere Bedeutung. Das Einzigste was ich sagen konnte war: "Ich hab's gehört, ich hab gehört, wie jemand nach dem Feuerlöscher gerufen hat. Ist die Feuerwehr schon da?" fragte ich. "Nein ist sie noch nicht, das ist ja auch gerade erst passiert. Frank (mein Schwager) ist sofort losgefahren, um zu schauen, ob er irgendwie helfen kann." erwiderte meine Schwester. Ich sagte ihr, noch dass sie sich unbedingt wieder bei mir melden soll, wenn sie weiß, ob es allen gut geht. Dann beendeten wir das Gespräch.

Die nächsten 2-3 Minuten bin ich völlig sinnlos in unserer Wohnung hin und her gelaufen und habe überlegt, was ich von hier aus tun könnte. "Martin, Martin anrufen. Das ist eine gute Idee". Sofort rief ich bei Martin und Denise an. Denise nahm das Gespräch an. Sehr aufgeregt, aber scheinbar ziemlich zielgerichtet, forderte ich Denise auf mir unbedingt sofort Martin ans Telefon zu holen. Ich erklärte ihm mit einer etwas zittrigen Stimme, was passiert war und forderte ihn auf sofort zu Thoralf zu fahren. Irgendwie schien er meine Worte aber nicht ganz verstanden zu haben. Er sagte er könne jetzt hier nicht weg, der Strom sei ausgefallen und er müsse irgendwas in der Garage erledigen. Ein wenig unverständlich schrie ich ihn an, dass er sich jetzt sofort zu Thoralf begeben soll und mich anzurufen, ob bei Familie Puschendorf alles in Ordnung ist. Scheinbar brauchte Martin in dem Augenblick einen etwas deftigeren Tonfall. "Ich fahre sofort los." Antwortete er mir. Jetzt hatte er auf alle Fälle verstanden, worum es ging. Wir beendeten das Gespräch.

Ein paar Sekunden später klingelte mein Telefon erneut. Es war wieder meine kleine Schwester, welche mir berichtete das Thoralf, Moni und die Kinder unverletzt aus dem brennenden Haus fliehen konnten. Frank hatte angerufen und es ihr berichtet. "Die Feuerwehr ist aber immer noch nicht da. Der ganze Dachstuhl steht in Flammen, das schöne Haus die schöne Wohnung". Stammelte sie immer wieder. Ich sagte ihr, das ich sofort ins Auto steige und losfahren würde. Danach beendeten wir das Gespräch.

„Ob ich da überhaupt, was helfen könnte? Bestimmt, irgendeine Aufgabe wird sich schon finden für mich. Aber Hauptsache ich bin da. Vielleicht kann ich Thoralf irgendwie Trost spenden, was auch immer.“ So oder so ähnlich schwankten wohl meine Gedanken in jenen Augenblicken. Noch kurz ein paar alte Klamotten raus gesucht und schon sah ich im Auto in Richtung Hartmannsdorf.
Obwohl es ein Dienstagabend war, fuhren doch für meinen Geschmack zu viele Sonntagsfahrer umher. Die Fahrt schien ewig zu dauern. Ständig gingen mir die Sätze durch den Kopf, welche ich am Handy Live miterlebt hatte. Trotz der vielen Sonntagsfahrer war ich innerhalb von 20 Minuten in Eisenberg. Dort rief mich plötzlich Thoralf an. "Du hattest versucht, mich zu erreichen.“ Fragte er. „Ich bin auf dem Weg zu dir, kann ich dir und irgendwie helfen und wie geht es dir" antwortete ich ihm. "Wir sind soweit alle gesund, doch brennt mir gerade die Bude unterm Arsch weg. Erstmal gibt es nichts zu tun". Entgegnete er mir.“Ich bin gleich da.“ Dann legten wir auf.

Hatte es in Jena so gut wie gar nicht geregnet, sah das in Eisenberg schon völlig anders aus. Wie aus Eimern fiel der Regen vom Himmel. Als ich durch Kursdorf kam, war dort der kleine Bach Rauda schon aus seinem Bett ein wenig auf die Straße gekommen. Meine Fahrt endete jedoch erst einen Ort später. In Rauda selbst war die Straße komplett überspült und unpassierbar geworden. „So ein Mist, 2 km vor dem Ziel nochmal umdrehen und einen neuen Weg suchen“ dachte ich mir. Also wieder zurück nach Eisenberg und von dort aus über Etzdorf nach Hartmannsdorf zu kommen. Doch schon im Eisenberger Schortental war auch dieser Weg versperrt. Dort stand die Straße mindestens einen halben Meter unter Wasser.
Eine letzte Möglichkeit wahr es über Königshofen nach Etzdorf und von dort weiter nach Hartmannsdorf zu kommen. Auch in Etzdorf hatte der starke Regen schon viele Spuren hinterlassen. Der kleine Teich im Ort hatte dort schon fast die Straße in sich integriert, doch war es fast einzigste Weg nach Hartmannsdorf. Ich fuhr durch. Alle Straßen glichen eher kleinen Bächen. Die Gräben links und rechts der Straßen waren voll mit Wasser. Eine Stunde und 20 Minuten nachdem ich in Jena losgefahren war, kam ich in Hartmannsdorf an.

Über den Flurgraben fuhr ich in den Ort ein. Thoralfs Haus brannte immer noch. Ich packte mein Auto bei der Gaststätte Scherff und ging in Richtung Thoralfs Haus. Zwei oder drei Feuerwehrfahrzeuge standen auf der Straße davor und löschten, was von Thoralfs Dachstuhl noch übrig war. Viele Schaulustige standen umher und ich erkannte den ein oder anderen. Dann entdeckte ich Markus und Uta. (Sie wohnen in der anderen Hälfte des Doppelhauses) Ich ging zu ihnen und umarmte sie. So völlig von der Rolle hatte ich die beiden noch nie zuvor gesehen. Beiden steckte noch der Schreck in den Gliedern, mit einem viel zu kleinen Regenschirm, versuchten sie sich vor dem Dauerregen zu schützen. Ihre Kleider waren durchnässt. Sowie der Regen auf Markus Schulter prasselte, lief es ihm im gleichen Augenblick aus dem Ärmel wieder raus.
So wie Markus und Uta ging es vielen Leuten, die dort standen, und apathisch auf das brennende Haus schauten. Dann entdeckte ich Nicole, auch sie umarmte ich und fragte nach Thoralf und den Kindern. "Thoralf, Martin und Adelheid sind auf der anderen Seite des Hauses. Moni ist mit den Kindern bei den Nachbarn "erklärte sie mir. Martin, mit einem Helm auf dem Kopf, kam hinter dem Haus hervor gelaufen und umarmte mich. Er sagte er wolle Moni und die Kinder zu sich nach Hause schaffen, wo sie diese Nacht bleiben können. Ich bot meine Hilfe an. Er müsse nur noch schnell das Auto holen dann fahren wir, entgegnete er mir. Ich wartete also an der Haustür der Nachbarn auf Martin mit dem Auto. Da kam Thoralf aus seinem Hof gelaufen. Er halte auch einen orangen Helm von einer Motorsense auf. Ich begrüßte ihn, aber so richtig schien er keine Notiz von mir zu nehmen. Er war ziemlich weit weg, um nicht zu sagen, zu dieser Zeit war er nicht auf unserem Planeten. Alles, was er sagen konnte, war "so eine Scheiße, ich war doch gerade erst fertig mit renovieren."

Danach kamen Moni und die Kinder aus dem Haus der Nachbarn. Auch sie war nicht wirklich ansprechbar und nahm mich und alle anderen kaum war. Möglichst schnell und ohne großartig Aufsehen zu erregen, steckte ich Sie in Martins Auto. Auch Monis Mutter war da und kümmerte sich hauptsächlich um Thoralfs große Tochter. Ich fuhr die Vier zu Martin und Denise nach Hause, lud alles aus und fuhr wieder zurück zum Brand. Fast hatte ihn die Feuerwehr gelöscht, es klimmte bloß noch ein wenig. Was ich die nächsten 20- 30 Minuten gemacht habe, kann ich heute nicht mehr sagen. Ich weiß nur dass wir gegen 22:30 Uhr zu Martin und Denise nach Hause gefahren sind, damit Thoralf etwas essen kann. Ich habe die Zeit genutzt und bin bei meinen Eltern vorbei und habe ein paar von meinen alten Sachen für Thoralf rausgesucht. Ein paar Schuhe, ein Pullover, eine dicke Jacke und ein paar T-Shirts, was man eben so braucht.

Als wir gegen 23 Uhr wieder am Haus ankamen, hatte die Feuerwehr den Brand endgültig gelöscht. Machen konnten wir nicht viel beziehungsweise gar nichts. Ich war mit Thoralf mal kurz im Haus, nur in der Wohnung seiner Mutter (EG) und im Keller, warum weiß ich nicht mehr. Ich kann mich aber sehr genau an den stechenden Geruch und an das viele Wasser welches durch die Decke tropfte erinnern. Auch den Keller, in dem 15 cm hoch das stinkende Bachwasser stand, habe ich noch vor den Augen. Dann haben wir noch hinter dem Haus im Hof gestanden und der Feuerwehr bei ihrer Arbeit zugeschaut. Wir haben miteinander gesprochen und ein Bier getrunken.
Nachdem die größte Anspannung erst einmal weg war, kam auch Thoralf etwas aus sich heraus und zurück auf unserem Planeten. Wir sprachen darüber, dass es einem Wunder gleich kam, dass keiner der Vier beim Einschlag des Blitzes verletzt wurde. Wenn ich mich recht erinnere, haben wir sogar ein wenig gescherzt, Galgenhumor. Jeder wollte erzählen, wie er die Minuten nach dem Einschlag erlebt hatte. Wieder und wieder die gleiche Geschichte. Das Komische ist, man wird nicht müde Sie zu hören.

Gegen 0:30 Uhr hat uns die Feuerwehr weggeschickt. Wir können hier jetzt sowieso nichts mehr machen. Thoralf soll am nächsten Morgen gegen 8:00 Uhr wiederkommen. Dann bekäme er sein Haus zurück übergeben. Ich umarmte Thoralf zum Abschied und sprach ihm noch etwas Mut zu. „Du hast viele Freunde, auf die du dich verlassen kannst und gemeinsam bauen wir das wieder auf.“ Dann fuhren wir nach Hause. Martin und Thoralf zu Martin nach Hause und ich nach Jena.

Der Bach war in Rauda und in Kursdorf in seinen Bett zurückgekehrt und hatte nur Schlamm und Geröll auf den Straßen hinterlassen. Doch verfolgten mich andere Bilder den gesamten Weg nach Hause. Bilder von einem völlig ausgebrannten Dachstuhl, dem stinkenden Bachwasser im Keller und Bilder von einem völlig neben sich stehenden besten Freund. Um 1:00 Uhr war ich zu Hause.

T.K. 03.12.2008
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